„Nicht nur Blickfang, sondern Blick weiten auf die ganze Geschichte“
Porta Westfalica (lwl). Vier Monate vor der geplanten Wiedereröffnung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Porta Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke) hat der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Matthias Löb, auf eine Neu-Interpretation des Denkmals hingewiesen. „Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal bleibt ein weit sichtbarer Blickfang. Gleichzeitig wollen wir aber hier oben den Blick auf die ganze Geschichte dieses Ortes weiten: von den Römern in Germanien über Preußens Pathos bis zum Elend der Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkrieges in den Stollen direkt unter dem Monument“, sagte Löb am Dienstag (20.2.) bei einem Besuch auf der Baustelle am zweitgrößten Denkmal Deutschlands.
Der LWL als Eigentümer hatte 2015 beschlossen, mit der notwendigen Sanierung das Denkmal durch ein Restaurant und ein Besucherzentrum aufzuwerten. Der jetzt realisierte Wettbewerbsentwurf stammt vom Architekten Peter Bastian aus Münster. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal ist Bestandteil der „Straße der Monumente“ (sieben Denkmäler in Deutschland, darunter das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig).
Ab 9. Juli warten an der Porta Westfalica das neue Restaurant in der Ringterrasse („Wilhelm 1896“) und das „LWL-Besucherzentrum“ auf geschätzt über 150.000 Besucher pro Jahr. Löb: „Die Besucherinnen und Besucher können hier eine Geschichte erfahren, die weit über ein wuchtiges Kaiser-Denkmal hinausreicht, und wir wollen diese Geschichte erzählen.“ Dazu gehöre die Einordnung der historischen Ereignisse aus heutiger Sicht ebenso wie die Topografie der Region.
Der Bau
Seit dem Start der Wiederherstellung vor 15 Monaten sei die rund 25.000 Kubikmeter große Baugrube mit 270 Kleinbohrpfählen für die Standsicherheit des Gebäudes bestückt worden, erläuterte Matthias Gundler, Prokurist und Bauleiter der LWL-Tochtergesellschaft WLV (Westfälisch-Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH). „Dabei war das ganze Fachwissen der Firmen gefragt. Nicht die Stollen, sondern kleine Klüften und Spalten machten uns phasenweise die Arbeit zur Wiederherstellung der Ringmauer schwer“, so Gundler.
Als die Ringterrassen beim Bau des Denkmals Ende des 19. Jahrhunderts aufgeschüttet wurden, traten bereits kurz nach der Eröffnung 1896 Probleme an der Ringmauer auf. Das führte auch bei der Sprengung des Einganges zum sogenannten Denkmalstollen 1946 durch die Briten zu einem Bruch der Böschung. Gundler: „Noch 120 Jahre später kam es durch den damaligen Pfusch am Bau dazu, dass wir jetzt große Mengen von Zementmaterial mit den Bohrungen in den Berg stecken mussten. Nun ist dort – bis zu 30 Meter Tiefe gegründet – der wiederhergestellte Ringsockel aus Obernkirchner Sandstein zu sehen. Insgesamt haben wir für diese Pfahlgründung über 3.800 Tonnen Zement verarbeitet.“
Wegen der Schwierigkeiten bei der Sanierung rechnet LWL-Direktor Löb allein für die Wiederherstellung der Ringmauer mit Kosten von fünf Millionen Euro. Zusätzlich werden die Baukosten für das Besucherzentrum, die Gastronomie und den Pavillon noch einmal 11,4 Millionen Euro betragen. Die Stadt Porta Westfalica beteiligt sich mit einem Zuschuss von über 600.000 Euro, der Bund steuert insgesamt 5,8 Millionen Euro Fördermittel bei.
Oberhalb des Sockels erstrecken sich die wiederhergestellten Ringbögen als Aussichtsfenster der zukünftigen Gastronomie in die Höhe. Insgesamt werden über 1.500 Tonnen Naturstein handwerklich verarbeitet. Die 11.000 Kubikmeter umbauten Raums sind bereits im Ausbau.
Hintergrund
Das ursprüngliche Bauwerk
Das Denkmal wurde 1892 bis 1896 nach einem Entwurf des Berliner Architekten Bruno Schmitz (1858-1916) erbaut. Erste Planungen zur Würdigung des Reichsgründers und ersten deutschen Kaisers durch ein monumentales Denkmal begannen gleich nach dem Tod Wilhelms I. im Jahr 1888. Schon 1889 hatte die Provinzial-Regierung für Westfalen in Münster den Beschluss zur Errichtung eines zentralen Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica gefasst. Im Februar 1890 wurde ein Wettbewerb ausgelobt. Für den Bau stellte der Westfälische Provinziallandtag 500.000 Goldmark zur Verfügung. Regierungsbezirke und private Geldgeber spendeten über 300 000 Goldmark.
Aus den 58 eingereichten Entwürfen wurde der von Schmitz 1890 mit dem ersten Preis prämiert. Aus Kostengründen musste der Entwurf aber noch verändert werden. Den Entwurf für das Kaiserstandbild lieferte der Bildhauer Caspar von Zumbusch (1830-1915). Auf Zweidrittel der Höhe des zur Weser steil abfallenden Wittekindberges wurde eine von hohen Stützmauern getragene Ringterrasse errichtet. Von dort führt eine doppelläufige Treppe auf eine Plattform auf der sich der Baldachin mit dem Standbild befindet.
Die Kuppel des zweithöchsten deutschen Denkmals wird von sechs Strebepfeilern getragen. Kuppel und Pfeiler schließen jeweils mit einer Kaiserkrone ab. Der mit grob behauenen Porta-Sandsteinen verblendete Baukörper ist im sogenannten Zyklopenstil des Spätwilhelminismus errichtet. Zeitweilig waren über 100 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt. Das auf Fernsicht angelegte, 88 Meter hohe Bauwerk hebt sich deutlich von der umgebenden Landschaftskulisse ab.
Die Einweihung des Denkmals 1896
Die Einweihung war am 18. Oktober 1896, dem Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig (18. Oktober 1813) und auch der Geburtstag von Kaiser Friedrich III. (18. Oktober 1831). Kaiser Wilhelm II. und seine Frau, Kaiserin Auguste Viktoria, nebst Generalstab, Flügeladjutanten, Hofdamen und Kammerherren reisten mit der Bahn an. Ein Sonderzug brachte sie nach Minden, mit der Kutsche ging es weiter zur Porta Westfalica.
Auf der Ringterrasse des Denkmals schritt der Regent die angetretene Militär-Formation ab, begrüßte die Repräsentanten der Provinz Westfalen und hielt seine Einweihungsrede. Versammelt waren dort auch Bürgerkompagnien, Vereine, Schulen und Beschäftigte von Unternehmen. Nachdem der Kaiser seine Einweihungsrede gehalten hatte, folgte ein Festmahl mit Musik-Programm. An dem „Festessen zur Feier der Einweihung des Kaiser Wilhelm-Provinzial-Denkmals“ mit 370 geladenen Gästen im neu erbauten großen Saal des Hotels Kaiserhof am Fuße des Denkmals nahm das Kaiserpaar mit seinem Gefolge jedoch nicht mehr teil.