Das Glück von Swabedu
In einem fernen Land gab es ein friedliches Dorf, das man Swabedu nannte. Dieses Dorf war nicht nur wunderschön und blitzsauber, seine Bewohner waren meist auch von außergewöhnlicher Höflichkeit. Wenn sie sich trafen, begrüßten sie einander mit einem Lächeln. Fanden sie Zeit zu einem Schwätzchen, so fragten sie zunächst nach dem Befinden des anderen. Was die Swabedudahs am meisten liebten, war, einander warme weiche Fellchen zu schenken. Ein jeder trug über seiner Schulter einen Beutel und der Beutel war gefüllt mit weichen Fellchen. Sooft sich Swabedudahs trafen, gab gewöhnlich der eine dem anderen ein Fellchen.
Nun ist es besonders schön, jemandem ein warmes weiches Fellchen zu geben: es sagt dem anderen, er sei etwas Besonderes, es ist eine Art zu sagen: Ich mag dich. Und selbstverständlich ist es sehr erfreulich, ein solches Fellchen zu bekommen. Wenn man Dir ein Fellchen anbietet, wenn Du es nimmst und fühlst, wie warm und flaumig es an Deiner Wange ist, und Du es sanft und leicht in Deinen Fellchenchenbeutel legst, dann ist es wundervoll. Du fühlst Dich anerkannt und geschätzt, wenn Dir jemand ein weiches Fellchen gibt, und Du möchtest ihm ebenfalls etwas Schönes tun. Die kleinen Leute von Swabedu gaben gerne weiche Fellchen und bekamen gerne weiche Fellchen. Und ihr gemeinsames Leben war ohne Zweifel sehr glücklich und froh.
Viele Jahre lebten so die Bewohner in Glück und Harmonie. Freude und Leid wurden gemeinsam getragen, keiner verschloss nachts seine Haustür und jeder half dem Nächsten, wenn Krankheit oder Tod eine Familie heimsuchten.
Aber unweit vom Dorf hauste ein furchterregender Kobold, ein böser Geist. Keiner wollte mit diesem schrecklichen Kerl in Verbindung treten; alle hatten Angst. Doch die Einwohner überlegten hin und her, wie man auch mit diesem Kobold Freundschaft schließen könnte.
Schließlich fand sich ein kleiner, mutiger Junge, der sich anbot, den bösen Geist in seiner Höhle am Berghang zu besuchen. Viele Freunde gaben dem Jungen das Geleit, aber die letzten tausend Schritte musste er alleine gehen.
Der Junge gelangte an den Eingang der Höhle. Der Kobold fuhr ihn heftig an: „Was willst Du hier?“ Der Kleine nahm seinen ganzen Mut zusammen: „Ich heiße Stefan und bin 12 Jahre alt. Ich möchte Dich fragen, wie es Dir geht. Bei uns schenkt man einander, wenn man sich begegnet, ein Stück Fell, um zu zeigen, dass man sich lieb hat! Ich habe Dich gern und hier ist ein Fellchen, dass ich Dir schenken möchte. Bitte nimm es an!“
Der Kobold wußte nicht, was er antworten sollte. Umständlich nahm er das Stück Fell in die Hand, prüfte es und wollte es achtlos in die Höhle werfen, aber es blieb an seiner Hand haften. So überlegte er, wie er den Dorfleuten einen Streich spielen könnte. Er sagte zu dem Jungen: „Das ist doch alles blödes Zeugs mit Eurer unnötigen Schenkerei. Wenn Du immer Deine Fellchen verschenkst, wirst Du nachher selbst keine mehr haben, dummer Junge!“
Mit diesen Worten schob der Kobold den Jungen aus der Höhle. Dieser murmelte erschrocken einen Abschiedsgruß und lief dann, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, zurück zu seinen wartenden Freunden. Der tapfere Junge wurde von seinen Freunden staunend empfangen; er musste immer wieder von seiner Begegnung mit dem bösen Geist erzählen und von allem, was dieser geantwortet hatte. Schließlich war das ganze Dorf auf dem Marktplatz versammelt. Doch manche gaben sogar dem Kobold Recht, denn einige Dorfbewohner hatten nur noch wenige Fellchen, andere dagegen sehr viele. Es war wie immer im Leben: einige waren recht geizig, andere sehr großzügig; manche vergaßen einfach, die Fellchen von zu Hause mitzunehmen oder waren die gute Gewohnheit leid.
Unbemerkt war der Kobold dem Jungen ins Dorf gefolgt. Die Swabedudas erschraken zu Tode, als sie den bösen Geist in ihrer Mitte sahen. In die Stille hinein rief der Kobold: „Ihr seid ja strohdumm! Warum wollt Ihr immer die kostbaren Fellchen verschenken? Nehmt doch einfach die kleinen Steine, die hier überall herumliegen. Hiervon gibt es immer genug und keiner hat zuviel davon zu Hause liegen!“
Die meisten Leute fanden diese Idee so großartig, dass sie sich schnell einigten, in Zukunft so zu verfahren. Nun begannen sie, kleine Steinchen zu sammeln. Bei einer Begrüßung verschenkte man diese dann. Die Fellchen waren bald vergessen.
Aber mit der Zeit nahm die Freundlichkeit immer mehr ab. Man entdeckte, dass man mit den Steinen auch werfen konnte. Man gab sich auch nicht mehr die Mühe, kleine Steinchen zu suchen, sondern griff auch zu größeren und schwereren Steinen.
Aus der früher so fröhlichen Begrüßung mit den weichen Fellchen wurden jetzt Begegnungen voller Misstrauen, Man fürchtete sich immer mehr voreinander und war nie sicher, ob nicht ein grosser Stein geflogen kam. Das einst so fröhliche Swabedu versank in Angst und Feindschaft.
Eines Tages kam ein weiser Mann auf seiner Pilgerreise zur schönen Barockkirche durch das Dorf. Er klopfe an die erste Haustür und bat um einen Becher Wasser. Es war das Haus einer alten Dame, die aber mutterseelenallein wohnte.
Sie reichte dem frommen Pilger nicht Wasser, sondern Milch, Brot und Schinken. Die Großmutter war froh, wieder mit jemandem sprechen zu können und so erzählte sie von dem fröhlichen Dorf, das durch den Ratschlag des bösen Geistes in die Irre geleitet wurde.
Der Pilger ging von Haus zu Haus und bat alle Bewohner, auf den Marktplatz zu kommen. „Warum begrüßt Ihr Euch nicht wie früher mit Fröhlichkeit, Anteilnahme und den seidenen Fellstückchen?“ Die Swabedudas sagten, dass sie Angst um ihre Fellchen hätten: Einige hatten nur noch wenige Stücke, andere dagegen über hundert. Niemand wollte riskieren, vor lauter Großzügigkeit alle Fellchen zu verlieren! Da bat der fromme Mann alle, nach Hause zu gehen und ihre Fellchen zu holen. Wer nur drei hatte, holte diese voll glänzender Fellchen.
„Das reicht doch!“ sagte der Pilger: „In Zukunft grüßt Ihr Euch wieder in alter Freundschaft. Wer ein Fellchen bekommt, gibt auch eins. Wer seine Fellchen vergißt, läuft nach Hause und holt sie. So hat keiner mehr als die anderen und so werdet Ihr wieder in Frieden miteinander leben können.“
Als alle Fellstückchen vor dem Pilger lagen, mussten die Bewohner einen grossen Kreis bilden und sich je ein Fellchen abholen. Als der Kreis sich einmal gedreht hatte, begannen die Swabedudas, sich wieder anzulächeln. Beim dritten Kreis fing jemand an zu singen und bald sang das ganze Dorf zusammen wie in alten Zeiten.
Als die letzten Fellchen verteilt waren, wurde es bereits dunkel. Alle eilten zu den leeren Körben zurück, um dem weisen Mann zu danken und ihm ein Nachtquartier anzubieten.
Aber soviel sie auch suchten, sie fanden den Pilger nicht. Da erkannten sie, dass der Weise vom Himmel geschickt worden war, um den Frieden wieder in ihr Dorf zu bringen. Sie lobten Gott und versprachen, sich immer freundlich und hilfsbereit zu begegnen und ein Fellchen zu verschenken!
(Verfasser unbekannt)
Wie wäre es, zu Weihnachten ein kleines weiches Fellchen zu verschenken, zusammen mit dieser Geschichte. Die Fellchen gibt es bei freudepur in Gütersloh. 🙂