„Ich weiß!“, die geflügelten Worte sind leichtfertig gesagt, durchaus gehaltvoll und bleiben doch bedauerlicherweise häufig ohne Wirkung. Sie begegnen mir oft, nicht nur in meinem therapeutischen Kontext und geben mir Zeugnis von der Informiertheit der Menschen. Ich glaube tatsächlich, dass viele Menschen vieles wissen, denn Wissen ist heute leicht zugänglich und so bestehen zumindest grundlegende Kenntnisse in vielerlei Bereichen.
Wissen zu erlangen, ist durchaus positiv und hilfreich, es erlaubt uns, miteinander in Wissensstreit zu treten, doch Wissen allein nötigt nicht zum Handeln. Oft sind es konkrete Situationen oder Störungen der Befindlichkeit, die dem Menschen den Handlungskick verpassen – aber selbst die verfahrenste Situation oder eine manifeste Krankheit lassen die Änderung der Gewohnheiten nicht zwangsläufig folgen.
„Ich weiß, dass ich zu dick bin, mich zu wenig bewege, zu gutmütig bin und auch nicht Nein-Sagen kann. Weiß auch, dass ich bequem bin, häufiger Sport treiben und weniger Süßigkeiten essen sollte. Weiß, dass ich meinen Alkoholkonsum reduzieren müsste, dass ich zu lange online und zu wenig in der Natur bin. Weiß auch, dass ich mich in den sozialen Netzwerken förmlich verliere. Ich weiß, dass ich häufiger das Rad benutzen und mit dem Rauchen aufhören sollte. Weiß, dass meine Partnerschaft unglücklich und unerfüllt ist, dass die Kommunikation zum Erliegen gekommen und die Körperlichkeit eingeschlafen ist. Ich weiß auch, dass ich mich von Selbstzweifeln zerfressen lasse, untätig bin und viel zu viel aussitze.“
Oder auch: „Ich weiß, dass ich mir zu viel auflade, zu hohe Ansprüche habe, mich selbst – und auch andere – unter Druck setze und pausenlos durch mein Leben hetze. Weiß, dass ich zu viel will, mir dadurch Stress mache und auch viel zu viel Kaffee trinke. Ich weiß, dass ich ständig etwas kaufe, um mich selbst zu belohnen, mir zu wenige Ruhepausen gönne und mich damit auslauge. Weiß, dass ich zu unruhig bin, vor mir selbst flüchte und mich immerzu mit irgendetwas ablenke. Klar weiß ich, dass ich oft angespannt, genervt und gereizt bin, dass mir Gelassenheit, Geduld und Toleranz völlig abgehen.
Ich weiß das alles und weiß auch noch viel mehr. Aber…“
Und? Hätte der eine oder andere Satz auch Ihrer sein können?
Ich glaube, dass wir alle sehr wohl wissen, wo wir stehen, was wir tun sollten, ändern könnten, was wichtig und nötig wäre, aber wir belassen es zumeist bei dem Wissen darum und handeln nicht.
„Ich weiß“ wird als Zustimmung und Bestätigung verwandt und doch ist es aus meiner Sicht, ebenso wie ein „ja aber“ oder „jetzt nicht“, letztlich doch nur Platzhalter, um Handeln zu vermeiden.
Aber warum ist das so? Warum sind die Menschen eigentlich nicht ehrlich zu sich selbst?
Ehrlich zu sich selbst zu sein gehört zu den schwierigsten Dingen des Lebens, denn Ehrlichkeit bedeutet hinzuschauen, etwas bewusst wahrzunehmen und falls nötig auch tätig zu werden. Aber Handeln hat Konsequenzen. Ins Handeln zu kommen, bedeutet Dinge anzustoßen, von denen wir im Vorhinein nicht wissen, wie sie sich entwickeln werden. Das ist auch der Grund, weshalb so ungern gehandelt wird. Etwas anzupacken und zu bewegen ist unbequem, die Komfort- und Sicherheitszone des Gewohnten zu verlassen, weckt Unbehagen und Ängste. Auf den ersten Blick erscheint es viel leichter, alles beim Alten zu lassen und nicht zu handeln. Aber auch Nichthandeln hat Konsequenzen, häufig größere und vor allem schmerzhaftere als das Handeln selbst. Die Angst, in der Welle der Konsequenzen unterzugehen, die das Handeln heraufbeschwört, hält oft davon ab, sich auf etwas Neues einzulassen, neugierig zu sein und sich selbst auszuprobieren.
Doch Versuch macht klug. Vielleicht fallen die Konsequenzen deutlich kleiner aus als sie erwartet und in den Köpfen zurecht gesponnen werden, die Wellen lange nicht so hoch aus, dass man darin untergehen könnte. Möglicherweise stellt man sogar fest, dass es Freude macht, endlich wieder im Wasser zu sein, sich freizuschwimmen und sich dabei wieder lebendig zu fühlen. Vielleicht macht Handeln sogar Spaß, mehr Spaß als zu verharren oder auszuhalten.
Fest steht, dass wir nicht darauf zu hoffen und zu warten brauchen, dass uns jemand die „Arbeit“ abnimmt – unser Leben in seine Hände nimmt – wir müssen selbst anfangen etwas zu tun. Die helfende Hand, die etwas verändern kann, ist schließlich nicht umsonst am Ende unseres eigenen Armes – und sie möchte auch genutzt werden. Niemand sagt, dass man die eigene Welt an einem einzigen Tag umbauen und neu gestalten muss. Vielmehr sollte man sich auf den Weg machen und sich Schritt für Schritt, im eigenen Tempo, voran wagen. Mit etwas zu beginnen, das leicht fällt, könnte ein Anfang sein, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen ein Ziel.
Es ließe sich viel Leiden verhindern, wenn Menschen ihr Wissen, ihre Kraft und Energie nicht zur Vermeidung und Verdrängung nutzen würden, sondern hinschauten, ehrlich wären und handelten.
Wie wäre wohl, wenn einem „Ich weiß“ ein „Ich mache das jetzt!“ folgen würde?
Ja, wie wäre es wohl?
Mehr von der Autorin, Moderatorin und Persönlichkeitsentwicklerin Alexa Förster auf der Seite ZEIG-WAS.